Didis Halbzeit-Bericht im Bürgerrat zu Medien & Demokratie

Didis Halbzeit-Bericht im Bürgerrat zu Medien & Demokratie

Wie funktioniert Demokratie in einer digitalen Welt voller Meinungen, Algorithmen und Medienkonzerne? Bei den ersten beiden Bürgerratterminen zu „Medien & Demokratie“ in Wien suchten 20 Bürger:innen nach Antworten – mit Tiefgang, Neugier und der Lust auf Veränderung. 2 von 4 Samstagen als Einstieg und mit wichtigen Erkenntnissen zu gelebter Demokratie.

BR2_Im Plenum wurde präsentiert und diskutiert zu den später verabschiedeten Resolutionen

Start der Bürger:innenrat-Reise: Wozu ein Bürger:innenrat zu Medien & Demokratie?

Bei BLOP! haben wir uns vorgenommen Bürgerbeteiligung zu entwickeln und zu stärken. Verschiedene Veranstaltungen, wie z.B. der Austausch mit Dr. Tamara Ehs, haben uns fachlichen Input gegeben. Die politische Realität in Oberpullendorf hat uns die gelebte Praxis in den letzten 5 Jahren nähergebracht. Also hat mich die Einladung zum Bürger:innenrat zu Medien & Demokratie im Jänner sofort interessiert.

Als einer von 180 Bewerber:innen wurde ich ausgewählt, um in einer Gruppe von 20 Bürgerrät:innen an 4 Terminen von März bis Mai zu lernen, zu diskutieren und gemeinsam zu entscheiden. Die 3 Themen, die aktueller nicht sein könnten: Mediensysteme und Medienregulierung, Partizipation in/durch Medien und Repräsentation in den Medien. Ergebnisse sollen Resolutionen sein, die im Juni in Wien präsentiert werden. Danach sollen die Ergebnisse gemeinsam mit 3 weiteren Ländern, wo aktuell ebenfalls Bürgerräte (citizens parliament) tagen, im Feber 2026 in Brüssel EU-weit vorgestellt werden.

Spannende Sache. Wichtige Sache. Also nehme ich euch zur Halbzeit vor der Osterpause kurz auf meine Bürger:innenrat-Reise durch die ersten beiden Termine mit.

Termin 1: Überblick, Kennenlernen und Abtasten

Voller Motivation starten 20 unterschiedliche Menschen aus Österreich gemeinsam am 22. März in der VHS Floridsdorf in einen Samstag zum Bürgerrat-Start – Zeitplan für den Tag, 10 bis 18 Uhr mit Pausen. Neben Infos zur Organisation, der Themenaufteilung und Kennenlernrunden, gibt es auch Experten-Input. Dr. Josef Trappel brachte nicht nur einen spannenden Einblick in die Herausforderungen unserer Medienlandschaft und der Digitalplattformen, die er bewusst nicht als "Soziale Medien" bezeichnet, sondern er zeigte gemeinsam mit Mag. Helmut Peissl auch das Spannungsfeld zwischen Politik und Medien deutlich auf. Helmut ist auch Geschäftsführer von Commit, die den Bürger:innenrat organisieren und als EU-Forschungsprojekt begleiten. Hier die wichtigsten Infos zum Medemap-Projekt als Blogartikel.

In der Diskussion danach ging es neben aktuellen Ereignissen, wie die Verbannung der Associate Press (Nachrichtenagentur) aus dem Weißen Haus oder die Medien als 4. Gewalt für "Checks & Balances". Die Rolle der Demokratie in den Medien und die Wechselwirkung werden ebenfalls diskutiert – bis hin zur Medienförderung von ca. 8 Millionen als Presseförderung und 20 Millionen für Regierungsinserate. Das gibt besonders zu denken, wenn man bedenkt, dass die Medienlandschaft in Deutschland beim Größenfaktor 10 ca. die gleiche Höhe an Medienförderung erhält. Auch ein grober Überblick zu den Themen für den 3. und 4. Termin werden gegeben. Zuerst in Kleingruppen, danach durch eine Diskussion im Plenum wurden Grundlagen für die Zusammenarbeit fixiert – bis auf die Entscheidungsfindung, die wir uns fürs nächste Mal aufsparten.

Danach wurde im World Café-Setting am Themenbereich "Mediensysteme und Medienregulierung" gearbeitet, die wir beim 2. Termin danach vertiefen und so Resolutionen formen sollen. Gerne übernahm ich an einem der 4 Tische den Host und versuchte alle einzubinden – das ist immer eine Herausforderung, da manchen liebend gerne reden und andere erst motiviert werden müssen. Aber es klappte an allen Tischen recht gut. Ergebnis waren Themencluster, die dann von Tischsprecher:innen wie mir vorgetragen und vom Commit-Team geclustert wurden. Als Rückblick gibt es einen Medemap-Blogbeitrag zum Termin 1.

Meine Learnings aus Termin 1:

  • Vielfalt ist wichtig, das ist schnell gesagt. Doch im Bürgerrat, wo alle mit unterschiedlichen Vorstellungen zu einem komplexen Thema in kürzester Zeit ein gemeinsames Ziel verfolgen wollen, bekommt diese Vielfalt einen völlig neuen Wert. Diesen Wert zu erkennen, zu respektieren und gemeinsam zu nutzen ist das übergeordnete Ziel – nicht nur beim Bürger:innenrat.
  • Meine Definition für Demokratie ist der laufende Entscheidungsprozess, in dem die Mehrheit mit Rücksicht auf Minderheiten über die gemeinsame Zukunft bestimmt. Das ergänzt gut mein Verständnis von Politik, welche Raum und Rahmen zu Verfügung stellt, wo wir uns ausmachen, wie wir zusammenleben wollen.
  • Der Adressat sollte in einem Bürger:innenrat so schnell wie möglich geklärt werden, weil man so die notwendige fachliche Tiefe und auch die konkrete Zielsetzung einer Resolution überhaupt erst festlegen kann. Wenn man allerdings Wünsch-dir-was verbunden mit Beschäftigungstherapie veranstalten würde, dann könnte viel Motivation auf der Strecke bleiben.

Termin 2: Ausfälle, Einschnitte und ein Vorgeschmack auf die politische Realität

Zum Start gab es mal 3 krankheitsbedingte Ausfälle, wobei es 2 Bürgerrät:innen und 1 Vortragende betraf. Der fehlende Input von Dr. Daniela Kraus vom Pressclub Concordia schmerzte dabei noch etwas mehr, doch mit dem ausgedehnten Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Nikolaus Forgó bekamen wir zum Thema Demokratie und Entscheidungsfindung auf Bundes- und EU-Ebene viel Wissen, das wir zuerst verdauen mussten. Datenschutz inkl. DSGVO, DSA, DMA & Co. wurden ebenfalls besprochen. Die aktuelle Lage, die uns Trump, Musk & Co. tagtäglich vor Augen führen zeigt riesige Herausforderungen, doch vor allem auch eine große, vielleicht einmalige Chance für Europa.

Unterm Strich stimmten wir danach ein gemeinsames "Alles ist sehr kompliziert" an, bevor wir uns an die Arbeit machten. Meiner Meinung und Wortmeldung nach kann unser Ziel als Bürgerrat nur sein, dass wir die verantwortlichen Regierungspolitiker:innen (aktuell vor allem Vizekanzler und Medienminister Andreas Babler) mit öffentlicher Kommunikation und der gemeinsamen Resolution so weit wie möglich dabei unterstützen, um EU-Richtlinien im nationalen Recht bestmöglich für zukunftsfitte Mediensysteme, die Demokratie und Partizipation stärken, auszugestalten. Etwas sperrig, aber für mich wurde der Adressat samt möglichem Weg der Resolution dadurch etwas klarer.

Danach wurden nach Zufallsprinzip 4 Komitees gebildet, die 4 Themenblöcke zu Resolutionen verarbeiten sollten. Die vorher beschlossene Entscheidungsstruktur fand erstmals Anwendung. Wir legten fest, dass ein Daumen hoch 👍🏽✅ deutliche Zustimmung, ein seitlicher Daumen 🟨 neutral bis zögerlich zustimmend und ein Daumen nach unten 👎🏽🟥 Veto bedeutet, wobei hier je nach Anzahl der Vetos noch weiter diskutiert und Einwände behandelt werden konnten. So haben wir die ersten Resolutionen fixiert, im Plenum präsentiert, danach bewertet und schließlich nach der Veto-Diskussion verabschiedet. Die Resolutionen im Detail folgen bei der Präsentation im Juni, doch als Vorgeschmack nur diese Infos: Forderungen zur Medienbildung der Bevölkerung, zur qualitätsabhängigen Besteuerung von Digital-Plattformen, gezielte Förderungen von Qualitätsjournalismus sowie zur Finanzierung unseres Mediensystems.

Meine Learnings aus Termin 2:

  • Unsere Europäischen Werte laut EUV sowie Qualitätskriterien (Details zu Klarnamen, Hate Speech, Fake-News, Moderation, Nutzerkontrolle zu Algorithmen, Medienkompetenz, Inhaltszertifikate, etc.) sind die Basis für eine Medien/Daten-Revolution. Der aktuell riesige Bedarf sowie die einzigartige Chance für uns als EU sollten wir nutzen – jedoch ohne uns in der ungeliebten Bürokratie zu verlieren. Schnelle Klarheit hilft hier mehr als doppelt.
  • Moderation bedingt Erfahrung und Talent. Unsere beiden Moderator:innen mache ihre Sache sehr gut, nur braucht es für einen erfolgreichen Bürgerrat aus meiner Sicht noch mehr Klarheit für Zielsetzung samt Adressaten und Resolutionsweg sowie eine klare Abgrenzung, wenn Diskussionen am Ziel vorbei gehen oder der Mehrheitsmotivation schadet. Aus Respekt vor der Gruppe soll sich jede:r einbringen. Aus Respekt vor der Verantwortung für das Ergebnis braucht es klaren Fokus und Grenzen.
  • 97% Handwerk: Das ist der Prozentsatz mit dem eine erfolgreiche Resolution, Forderung oder Idee in der Umsetzung bewertet wird. Nachdem wir viel über Gesetzgebung in Österreich und der EU gehört haben, wurden wir auch mit dieser Zahl von Dr. Vorgó konfrontiert. Der fachliche Input, die Sachebene bzw. der Lösungsansatz eines Expertengremiums macht laut ihm 3% der erfolgreichen Gesetzgebung aus. Die 97% sind politisches Handwerk.

Nach der Oster-Pause geht es mit Partizipation & Repräsentation weiter

Die beiden Termine zu Partizipation in/durch Medien und Repräsentation in den Medien werden nach den Osterferien bis Mitte Mai stattfinden. Die Gruppe kennt sich immer besser, das Interesse an den fachlichen Hintergründen wächst – bei mir zumindest, und die Motivation ist ungebrochen. Dabei gibt es für mich 2 Ziele:

  1. Bestmöglichen Input sowie Kommunikation für Resolutionen liefern, die wirklich etwas bewirken können.
  2. Die wichtigsten Learnings aus dem Bürger:innenrat auf die kommunale Ebene zu übertragen, um durch bessere Beteiligung für Entscheidungsprozesse und eine lebenswerte Zukunft gerüstet zu sein.

Freue mich im Bürger:innenrat einen Beitrag für unsere Medien & Demokratie leisten zu dürfen und auch für Oberpullendorf viel Erfahrung für Bürgerbeteiligung mitzunehmen.

BR1_Didi am Weg zum 1. Bürgerrat-Termin
Dietmar Csitkovics von BLOP!

Bei Fragen jederzeit gerne.

LG und eine schöne Osterzeit samt Fastenbrechen!
Didi Csitkovics